Vereinsgeschichte

So fing alles an – ein Artikel von Jakob Müller

1919

Deutschland nimmt den Friedensvertrag von Versailles an. Die Nationalflagge »schwarz–rot–gold« wird eingeführt. Friedrich Ebert wird erster Reichspräsident. Die 52 Gewerkschaften organisieren sich und die 48-Stunden-Woche wird eingeführt. Österreich schafft die Todesstrafe ab.
Im Juni dieses ereignisreichen Jahres »1« nach dem ersten Weltkrieg fasste Theo Michels den Entschluss, einen Sportverein zu gründen. Dazu musste er in dieser schwierigen Nachkriegzeit zunächst weitere Interessenten für seine Idee gewinnen. Am 1. August 1919 war es dann soweit, der Verein wurde gegründet und in einer Hauptversammlung am 20. August 1919 eine Satzung beschlossen.

Damals wurde die Mannschaftsaufstellung laut Spielordnung von einer fünfköpfigen Kommission vorgenommen. Als Spielkleidung waren weißer Sweater mit schwarzem Wappen, schwarze Hose und lange Strümpfe vorgeschrieben. Das Eintrittsgeld betrug 5 Mark, ein Monatsbeitrag 2 Mark. Der erste Kassenbestand wurde mit 207 Mark ausgewiesen. Dem Zeugwart oblag die Verpflichtung, sämtliche Spielutensilien in bester Verfassung zu halten und eine genaue Liste über alles dem Club gehörenden Inventar zu führen. Die Sportvereine waren damals noch nicht verbandsmäßig zusammengeschlossen und organisiert, sondern die Sportkämpfe wurden in wilder Manier durchgeführt.

Leichtathletische Wettkämpfe standen in den ersten 10 Vereinsjahren im Vordergrund des sportlichen Geschehens.

Die wilden Sportvereine hielten jährlich ihr Sportfest ab. Dabei zeichnete sich der Sportverein Kerpen ganz besonders aus. So gelang es z.B. Theo Michels, auf allen Sportfesten der Jahre 1921 bis 1926 ungeschlagener Meister im 100-Meter-Lauf zu sein. Im Speer- und Diskuswerfen hatte das Mitglied Gottfried Dapper im Kreis über Jahre hinweg keinen ernsthaften Konkurrenten. Im 4 x 100-Meter-Staffellauf waren Theo Michels, Martin Errenst, Hugo Kühbacher und Arnold Dapper acht Jahre lang ungeschlagen.

Die ersten Gehversuche

Ja, es muss schon eine Gaudi gewesen sein, wenn Dappers Arnold im Sportdress auf seinem Schimmel angeritten kam, den Gaul an den Torpfosten band und seines Amtes waltete. Vor ihm pflanzte sich sein Bruder Gottfried auf, er trug Fußballschuhe (aus englischen Heeresbeständen stammend) in der Größe 58! Wenn Gottfried auf der Fußballwiese den Ball tatsächlich einmal traf, flogen gleichzeitig ein halbes Dutzend Maulwurf­hügel mit durch die Luft. Die Fußballwiese gehörte Tesche Hein und war am Ortsausgang Kerpen in Richtung Düren gelegen.

Die Wiese

Der Fußballbetrieb wurde mangels eines geeigneten Platzes zunächst auf einer Wiese durchgeführt. Diese Wiese war am Ortsausgang Richtung Düren, an der Vogelruthe gelegen. Auf diesem Gelände, das der Schützenbruderschaft gehörte (heutiges Schützenheim und Kirmesplatz an der Schützenstraße) wurde bis zum Jahre 1929 Fußball gespielt.

Einen »richtigen« Fußballplatz gab es zu jener Zeit auch schon. Dieser Platz war an der Sindorfer Straße, am alten Forsthaus gelegen. Das Terrain gehörte zwar der Stadt Kerpen, war aber fußballerisch den »Reichseisenbahnern« vorbehalten. Nur der Spielverein Edelweiß Kerpen durfte dort schon marschieren und schwenken üben.

Südkampfbahn Blau-Weiß

Das Jahr 1929 war ein wichtiger Wendepunkt in unserer Vereinsgeschichte. Der Spielbetrieb wurde auf den Platz der Schützengesellschaft am Bahnhof verlegt. Später wurde zwecks Erweiterung eine angrenzende Parzelle von der Stadt Kerpen dazugepachtet. Diese »Südkampfbahn« lag entlang der Jahnhalle, dort, wo sich vor Kurzem noch der Minigolfplatz und das Schwimmbad befanden. Von den Vereinsmitgliedern wurde 1948 in mehr als fünf­monatigem Arbeitseinsatz eine 6.000 Zuschauer fassende vorbildliche Sportstätte geschaffen. In großem Rahmen wurde dieses Stadion im September 1948 festlich seiner Bestimmung übergeben.

Mit der Schaffung von Stehtribünen aus Beton wurde der Sportplatz 1955 weiter aufgewertet. Unter der Leitung von Freek Meijer wurden in Eigenleistung, vor allem der aktiven Mitglieder, rund 60 Kubikmeter Kies und 160 Zentner Zement verarbeitet. 1.240 Arbeits­stunden waren erforderlich, um die Renovierungsarbeiten zum 36. Stiftungsfest vorläufig abzuschließen. In seinem Bestreben, der Jugend eine vorbildliche Sportstätte zu schaffen, war der Verein damit ein beträchtliches Stück voran gekommen.

Bei einem der ersten Meisterschaftsspiele, natürlich gegen den Lokalrivalen Erfa Gymnich, kam es aus nichtigen Gründen zu einer unbändigen Prügelei. Über 300 Zuschauer beteiligten sich daran. Unter Hinterlassung ihrer Zivilkleidung suchten die Grün-Weißen ihr Heil in der Flucht und wurden bis zum Gymnicher Scheid verfolgt. Dort sammelte die Polizei Teile der Platzumzäunung, Eckfahnen, Fahrradluftpumpen und sonstige Schlagwaffen ein. Dieses Beweismaterial veranlasste anschließend den Kadi, uns mit Spiel- und Platzsperre zu belegen. Die Spielkultur wurde jedoch ständig verbessert.

Als 1939 ein Regiment deutscher Soldaten für neun Monate in Kerpen lag, konnten daraus fünf Spieler für unseren Verein gewonnen werden. Die Spieler verfügten über beachtliches Können und hatten bereits langjährige Erfahrungen beim schlesischen Verein Beuthe 05 gesammelt. Mit der so verstärkten Mannschaft spielten wir uns im Tchammer-Osten-Pokal bis zu damaligen Regionalliga durch und unterlagen erst dem Bagenthaler Spielverein ganz knapp.

Der erste Einkauf

Bei Strohbands Jupp vor der Tür machten Hübsche Jimmy und Wirtze Hannes dem von Fortuna Düsseldorf kommenden Spieler Hannes Pickartz folgendes Angebot:

  • 10 Zentner Kartoffeln
  • 4 Zentner weißer Kappes
  • 3 Zentner roter Kappes
  • 2 Zentner Äpfel

Für die damalige Zeit eine wahrlich großzügige Offerte!

Wie wertvoll die Feldfrüchte damals waren, mag man daran erkennen, dass z.B. beim Bau der Südkampfbahn eine große Baufirma ihre Planierraupe samt Fahrer 14 Tage zur Verfügung stellte und dafür zwei Zentner Erbsen (für die Werksküche) erhielt.

So war auch Hannes Pickartz von dem Angebot überzeugt und nahm es an. Vor Freude über den gelungenen Einkauf haben sich Hübsche Jimm und Wirtze Hannes an diesem Abend mit Knollenschabau und Hopfenperle (Dünnbier) vollaufen lassen.

Sonderzüge

Unter der Leitung von Hannes Pickartz wurde Kerpen alsbald Gruppensieger und durfte mit fünf weiteren Gruppensiegern auf neutralen Plätzen um den Aufstieg in die Bezirksklasse kämpfen.

Das Interesse der Kerpener Bevölkerung an diesen auswärtigen Aufstiegsspielen nahm Formen und Ausmaße an, die den Einsatz von Sonderzügen erforderlich machten. Damit diese Extrazüge ab Bahnhof Kerpen eingesetzt werden konnten, mussten jeweils mindestens 600 Fahrgäste garantiert werden. Dies war jedoch kein Problem; es mussten mangels Platz in diesen Sonderzügen sämtliche verfügbare Traktoren eingesetzt werden, obwohl diese mit nur 15 km/h Geschwindigkeit zur Personenbeförderung über größere Entfernungen nicht unbedingt geeignet waren.

Kadi hilft

Es wurden schon drei Spiele gewonnen, da passierte ein dicker Hund: Einer unserer besten Halbstürmer war in jugendlichem Leichtsinn mit dem Gesetz in Konflikt geraten, und der Kadi musste ihn für einige Wochen hinter schwedische Gardinen schicken. Ausgerechnet zum entscheidenden Spiel sollte uns dieser wichtige Spieler nicht zur Verfügung stehen. Willy Hübsch hat sich in dieser Notlage ein Herz gefasst, ist zum Richter nach Köln gefahren und hat um einen Tag Hafturlaub für Herbert gebeten. Nach langem Hin und her hatte der Richter ein Einsehen und gab Herbert mit der Auflage frei, dass Herr Hübsch selber einsitzen müsse, wenn der Delinquent nach Spielschluss nicht wieder eingeliefert würde. Herbert konnte mitspielen und über 1.000 begeisterte Zuschauer konnten einen 2:1 Sieg bejubeln. Im Anschluss an das Spiel saß Herbert wieder ein.

Kriegsspielgemeinschaft

Ganz so schlecht, wie eingangs geschildert, können die nachbarlichen Beziehungen zu Erfa Gymnich nun auch wieder nicht gewesen sein; denn bedingt durch den 1939 ausbrechenden Krieg und die damit verbundenen Einberufungen zum Militärdienst fehlten die jungen Männer in allen Vereinen. Als Notlösung wurde in dieser Zeit mit dem Nachbarverein in einer sog. Kriegsspielgemeinschaft gespielt. Nach Beendigung des Krieges nahm jeder Verein seinen selbständigen Spielbetrieb wieder auf.

Die 50er Jahre

Vereinsleben

Während die 40er Jahre von tumultartigen Szenen auf dem Spielfeld gekennzeichnet waren, begann nun auch das Vereinsleben zu pulsieren. Grobe Beleidigungen von Vorstandsmitgliedern hatten Vereinsausschlüsse zur Folge. Wegen unsportlichen Verhaltens wurden strenge Verweise an Spieler erteilt, mit der Folge, dass die 1. Mannschaft aufgestellt wurde, wenn zwei Spiele in der Reserve absolviert waren. Auch Anträge zur Verlegung des Vereinslokals erreichten den Vorstand.

Feste Feiern

Feste zu Feiern verstand man in dieser Zeit wahrlich. Kirmessonntag im Oktober 1952 wurden 138 Karten zu DM 0,50 und 181 zu DM 1,00 verkauft; also kamen 319 Gäste. Selbst Montags fanden sich noch über 200 Leute im Vereinslokal Pickartz ein. Die Musikkapelle kostete für 2 Tage DM 344,00 und es mußten DM 76,35 an Vergnügungssteuer bezahlt werden. Das brachte einen Überschuss von DM 76,35! So ging es noch einige Jahre. Einmal wurden im Übereifer zwei sogar Musikkapellen engagiert, was mit einer dicken Konventionalstrafe endete.

Das Pferd

Der Sportplatz steht dem Schul- und Vereinssport zur Verfügung. Der Leiter der Realschule, Direktor H. Scheufens, beschwert sich beim Verein im April 1953:

Im vergangenen Jahre war wiederholt an den Vormittagen ein Pferd auf dem Platz.
Könnten Sie bitte dafür sorgen, daß an Sporttagen der Schule der Platz frei bleibt?

Dieses Schreiben hat unser damaliger Vorsitzender Peter Michels dem Schulleiter nie verziehen.

Stiftungsfest

Im Jahre 1949 wurde das 30jährige Bestehen gefeiert und das erste Festbuch taucht auf. 1955 erscheint dann eine große Festschrift zum 36. Stiftungsfest. Es findet ein riesiges Programm statt, mit dem Spiel gegen die holländische Mannschaft Z.A.P. Breezand. Man gedachte des sportlichen Geschehens, der Arbeit und Mühen, aber auch der Freuden und Erfolge. Erinnerungen an das Gewesene wecken und Ziele für das Kommende ins Auge fassen, ist der Sinn dieses Festes.

Die 60er Jahre

Das Umfeld

Unser Stadion liegt nun längst nicht mehr alleine auf weiter Flur. Die Umgebung wird immer mehr bebaut, was wir insbesondere daran merken, dass unsere Nachbarn Ersatzansprüche für demolierte Fenschterscheiben und abgeschossene Antennenanlagen bei uns geltend machten. Die Benutzung der Sportanlage teilten wir uns mit dem Bundeswehr-Geschwader aus Nörvenich.

Straßensammlungen …

Über die Stadt wird unser Verein offiziell mit Straßensammlungen beauftragt. Aufgaben, die heute dem Roten Kreuz obliegen, wurdendamals von unseren Jugendlichen übernommen. So wurden z.B. öffentliche Sammlungen für die Blindenhilfe oder das Kuratorium Unteilbares Deutschland durchgeführt. In einer anderen Aktion verkauften unsere Jugendliche Anstecker mit dem Brandenburger Tor zugunsten Berlins.

Der Kaplan

Die Jugendabteilung wird 1964 von Kaplan Hans Boxler übernommen. Viele erinnern sich noch gut an die Zeit, als Hochwürden mit dem Motorrad und im Sportdress zu den Trainingsstunden vorfuhr. Ob seine Weltoffenheit für die Konservativen im Klerus der Kolpingstadt zu weit ging und er deshalb Kerpen schon nach nur einem Jahr Seelsorgearbeit verlassen musste, ist uns nicht bekannt.

Sportliches

Aus sportlicher Sicht waren die 60er mit neun Jahren Bezirksliga-Zugehörigkeit das erfolgreichste Jahrzehnt. In 1966 liegt unsere 1. Mannschaft bereits mit 7:23 Punkten aussichtslos auf dem letzten Tabellenplatz. Eine Serie bravouröser Leistungen beendete die Saison mit 30:30 Punkten und dem sechsten Tabellenplatz. Mit einer Festwoche wird im September 1964 das neue Stadion eingeweiht. Ein vom Torwart zertrümmertes Waschbecken, das wir bezahlen müssen, belegt die sportliche Einsatzfreude. Einseitige Berichterstattung wird der Presse vorgeworfen und führt zu lebhafter Korrespondenz.

Trainerverträge

Während normalerweise – wie auch heute noch – die Trainerverträge in Kerpen mündlich und mit einem Handschlag besiegelt wurden, tauchen 1967 mit Norbert Lessle und 1968 mit Wilhelm Stegmann zwei Trainerverträge auf. Bei einem lautete der §3 wie folgt:

Herr Stegmann erält hierfür eine monatliche Vergütung von DM 200, bei besonderen Leistungen später bis DM 250, ferner ist Herr Stegmann berechtigt für Fahrten zum Training bzw. Treffpunkt der 1. Mannschaft an Sonntagen die Busfahrten (Linienverkehr) zu berechnen. Der Verein verpflichtet sich, den Trainer nach Trainings- bzw. Spielabschluss unentgeltlich nach Hause zu bringen. Sollte dies aus irgendeinem nicht in der Person des Herrn Stegmann liegendem Grunde nicht möglich sein, ist er berechtigt, zur Heimfahrt auf Kosten des Vereins ein Taxi zu benutzen.

Leichtathletik

Die meiste Arbeit machte die Gründung und Führung einer Leichtathletikabteilung. Unzählige Ordner dokumentieren die Ära Günter Kissler mit zahlreichen Prozessen und Klageschriften. Es zeigte sich als notwendig, ein Gremium zur Information der Presse zu bilden und die Bevölkerung mit Flugblättern aufzuklären. Sogar Vereinseigentum muss eingeklagt werden. 1968 wird schließlich von Herrn Kissler als Konkurrenz zu unserem Verein der Sport-Club Ein­tracht Kerpen gegründet. Diesem Club war aber nur eine kurze Lebensdauer beschieden.

Jahnstadion

Auf dem Sportplatzgelände nördlich der Bahnlinie wurde 1956 die erste Turnhalle des Kreises Bergheim errichtet. Die Stadt erwarb in den Folgejahren alle Grundstücke zwischen Kirchweg (heute Burgunder Straße) und Sportplatz sowie westlich vom Sportplatz bis zur Verlängerung des Filzengrabens. Auf diese Weise war es möglich, westlich des früheren Spielfeldes, 1964 eine neue, moderne Stadionanlage mit Rasenplatz, 400-Meter-Laufbahnen und anderen Leichtathletikeinrichtungen zu erstellen. Am nördlichen Ende des alten Fußballfeldes wurde außerdem ein Spielfeld als Hartplatz für Schul- und Trainingsbetrieb erbaut. Eine Generalüberholung des Rasens erfolgte 1993. So präsentiert sich unser Jahnstadion noch heute.

Das Jahnstadion im Jahr 1957

Sportlerheim

Während die aktiven Sportler sich in der benachbarten Jahnhalle ihren Dress überzi­ehen, sanitäre Einrichtungen nutzen konnten, waren die Zustände für die Zuschauer nicht mehr erträglich. Es fehlte an einer Toilettenanlage und jeder Sportsfreund, der ein menschliches Bedürfnis verspürte, musste sich zwecks Erledigung seitlich in die Büsche schlagen. Unbürokratisch half uns die Stadtverwaltung aus dieser Notlage und stellte 1983 Geld für Material zur Verfügung.

Rund 30 Mitglieder leisteten über 6.000 freiwillige Arbeitsstunden, um mit dem Vorstandsmitglied Theo Schmidt unser heutiges Sportlerheim zu schaffen. Am 8. Juni 1983 konnte das Vereinsheim samt Toilettenanlagen, die den hygienischen Erfordernissen entsprachen, feierlich eingeweiht werden.

Blau-weiße Zeitenwende

In Kerpen blickt man nach Jahren der sportlichen Misere wieder zuversichtlich in die Zukunft. Der SV Blau-Weiß ist nach dem Landesliga-Abstieg in der Saison 2010/2011 in diesem Jahr erstmalig wieder sportlich erfolgreich.

Die Stimmung im Kerpener Vereinsheim ist angespannt. »Mehr als ein Unentschieden ist heute nicht drin«, glaubt Adolf Paar. »Doch, einen machen wir noch«, ist Gottfried Hüffel überzeugt. Beide sind Teil einer fünfköpfigen Rentnergruppe, die zu den Stammgästen im Kerpener Jahnstadion gehört.

Gerade ist Halbzeit im Kreisliga-A-Duell zwischen dem heimischen SV Blau-Weiß Kerpen und den Gästen aus Berrendorf. 1:1 steht es nach 45 Minuten. Während die Spieler in der Kabine Kraft tanken, stärkt sich die illustre Männerrunde bei Kaffee und Würstchen. Die meisten der Anwesenden haben selbst lange Jahre für den am 1. August 1919 gegründeten Traditionsverein gespielt — der 80-jährige Adolf Paar sogar noch bis zu seinem 49. Lebensjahr bei den Alten Herren. »Wir haben alle ein blau-weißes Herz«, sagt Paar, längst Ehrenmitglied des Klubs: »Früher wurde Vereinstreue noch großgeschrieben. Das gibt es heute leider nicht mehr oft.« Alle nicken.

Die Kerpener Ehrengäste müssen es wissen: Immerhin besuchen sie seit Jahrzehnten die Heimspiele ihres SV, haben die erste Mannschaft zudem regelmäßig bei Auswärtsspielen begleitet. Aus gesundheitlichen Gründen geht das heute nicht mehr. »Mittlerweile macht es aber immerhin wieder Spaß, die Heimspiele zu besuchen«, sagt Johann Langens und beweist damit ein gutes Näschen. Schließlich gewinnen die Blau-Weißen das Spiel gegen Berrendorf am Ende doch noch mit 3:2.

Spaß war lange Zeit ein Fremdwort rund um die Platzanlage im Jahnstadion. Zwar spielten die Kolpingstädter von 2004 bis zur Winterpause der Saison 2010/11 in der Landesliga und zählten zu den fußballerischen Aushängeschildern im Kreis, doch die Insolvenz des Hauptsponsors, einem örtlichen Bauunternehmen, sorgte für den finanziellen Kollaps des Vereins. Der Abmeldung aus der Landesliga folgte der Abstieg von der Bezirksliga in die Kreisliga A. Der Traditionsklub war am Boden und kämpfte auch im Kreisliga-Oberhaus gegen den Absturz. »Wären wir auch noch in die Kreisliga B durchgereicht worden, würde es den Verein wohl nicht mehr geben«, ist Willi Grzeschik überzeugt.

Johann Langens, Gottfried Hüffel, Adolf Paar

Der komplette Neuaufbau ist geglückt

Als es in Kerpen nach dem Rückzug aus der Landesliga keinen Vorstand mehr gab, übernahm er gemeinsam mit Stephan Velden die Verantwortung. »Zu Beginn hatten wir einige schlaflose Nächte zu überstehen«, erinnert sich Velden. Schließlich musste das Vorstandsduo einen kompletten Neuaufbau bewerkstelligen. Mittlerweile darf dieser durchaus als geglückt bezeichnet werden. Im ersten Jahr gelang — trotz langen Zitterns — der Klassenerhalt in der Kreisliga A. In dieser Saison konnten sich die Blau-Weißen steigern, und steuern auf einen Platz im oberen Tabellendrittel zu.

Statt saftige Gehälter an Spieler zu zahlen, die keinen Bezug zum Verein haben, setzt man in Kerpen mittlerweile auf Lokalpatriotismus. Im aktuellen Kader gibt es keinen Spieler ohne Kerpener Vergangenheit. »Wir alle tragen Blau-Weiß Kerpen im Herzen«, sagt Timo Kurm. Der Mittelfeldspieler lebt den SV wie kaum ein anderer. Seit seinem vierten Lebensjahr kickte der 30-Jährige in Kerpen, kehrte nach vier Jahren Abstinenz vor der Saison zu seinem Heimatklub zurück. Auch sein Vater spielte schon für die Blau-Weißen und kümmert sich mittlerweile bei den Heimspielen um die Kasse. Gemeinsam mit den erfahrenen Andreas Mörsch und Thomas Lache gehört Kurm zu den Führungsspielern in einer jungen Kerpener Mannschaft.

Spieler wie Keeper Patrick Velden, Dennis Ehlert, Michael Porschen oder Onur Gültekin spielten schon gemeinsam in der A-Jugend-Verbandsliga und hielten, wie im Falle von Velden, dem Verein anschließend die Treue oder aber kehrten auf Umwegen zurück zu ihren Wurzeln. Wie etwa der 24-jährige Gültekin, der zwischenzeitlich für Hilal Maroc Bergheim spielte, sich nach einer kurzzeitigen Auszeit aber für eine Rückkehr an die alte Wirkungsstätte entschied.

Nur einer hatte vor seinem Wechsel keinerlei Bezug zum Verein, nämlich der Trainer der Blau-Weißen, Thomas Graf. Dass dieser Thomas Graf einmal in Kerpen landen würde, schien vor ein paar Jahren noch undenkbar. Damals trainierte Graf den Erzrivalen Bedburger BV und lud seine Spieler sogar zu einer Party ein, weil Bedburg die Landesliga-Saison 2009/10 vor Kerpen abschloss. Längst hat man ihm dies verziehen, auch wenn der Saisonstart holprig verlief. Erst am achten Spieltag feierte der SV den ersten Saisonsieg. »Zu diesem Zeitpunkt hätten wohl viele auf meine Entlassung gewettet«, sagt Graf. Doch der Trainer blieb und der Erfolg stellte sich ein. In den zehn bisherigen Rückrundenspielen kassierten die Kolpingstädter erst eine Niederlage. »Der Verein ist eine Institution in Kerpen. Die Leute sehen die Entwicklung und klopfen uns mittlerweile wieder auf die Schulter«, freut sich Velden, der die Weichen für die kommende Saison bereits gestellt hat.

Das Team bleibt komplett zusammen und wird um drei Neuzugänge ergänzt — natürlich allesamt mit blau-weißer Vergangenheit. So wollen die Kerpener im nächsten Jahr um den Aufstieg in die Bezirksliga mitspielen. Die Unterstützung der treuen Fangemeinde ist den Spielern jedenfalls sicher. Denn ginge es um den Aufstieg — da sind sich die Urgesteine des Klubs einig — würden sie die Mannschaft sogar noch einmal zu einem Auswärtsspiel begleiten.

Die Vorstände

1919–1933: Bernhard Lenz
1933–1935: Engelbert Friedrichs
1935–1936: Fritz Gehring
1936–1952: Peter Michels
1952–1953: Heinz Walkowiak
1953–1954: Michael Paar
1954–1955: Peter Michels
1955–1958: Kaspar Faßbender
1958–1959: Peter Wirtz
1959–1962: Jean Esser
1962–1970: Klaus Perrar
1970–1971: Heinz Kremer
1971–1979: Jakob Müller
1979–1985: Klaus Perrar
1985–1988: Franz-Jakob Brings
1988–1989: Klaus Perrar
1989–1993: Hans-Peter Effertz
1993–2003: Günter Hübsch
2003–2009: Jakob Müller
2009–2011: Willi Odekerken
2011–2021: Willi Grzeschik
2021 bis heute: Michael Seidel

Sportliche Entwicklung

Das Auf und Ab unserer 1. Mannschaft

1948: Aufstieg Bezirksliga
1952: Abstieg 1. Kreisklasse
1959: Aufstieg Bezirksliga
1968: Abstieg 1. Kreisklasse
1974: Aufstieg Bezirksliga
1976: Abstieg 1. Kreisklasse
1990: Aufstieg Bezirksliga
2004: Aufstieg Landesliga
2011: Abstieg Bezirksliga
2012: Abstieg Kreisliga A
2017: Aufstieg Bezirksliga

Das Auf und Ab unserer 2. Mannschaft

1969: Aufstieg 2. Kreisklasse
1973: Abstieg 3. Kreisklasse
1982: Aufstieg 2. Kreisklasse
1991: Aufstieg 1. Kreisklasse
1992: Abstieg 2. Kreisklasse
1994: Aufstieg 1. Kreisklasse
1997: Abstieg Kreisliga B
2006: Abstieg Kreisliga C
2008: Aufstieg Kreisliga B
2011: Abstieg Kreisliga C
 

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